Das Geheimnis, das keines ist 

The Greatest Secret 
Rhonda Byrne 


Liebe Rhonda, 

da hast du für mein Dafürhalten ein wirklich erstaunliches Buch geschrieben.

Erstaunlich ist schon die Tatsache, dass dein Buch „The Greatest Secret“ es überhaupt in meinen Besitz geschafft hat. Denn ich hatte – obwohl ich deine vorherigen Bücher gar nicht gelesen habe – ziemliche Vorbehalte. 

Alleine schon die optische Aufmachung dieser Secret-Reihe! Die Krittel-Liese in mir hat sich daran mächtig abgearbeitet: Dieses opulente, mystisch angehauchte Design. Das versiegelte Wachs-Symbol, das an alte, geheime Schriften erinnern soll. Pure marketinggetriebene Effekthascherei lautete mein Urteil. Den Inhalt habe ich der Einfachheit halber gleich mit abgetan. Und das, was ich so vom Hörensagen so kannte, bestätigte mich. 

Doch ich habe „The Greatest Secret“ nicht nur gekauft, sondern von der ersten bis zur letzten Seite gelesen. Auch das ist erstaunlich, denn viele Bücher lese ich nicht komplett von A bis Z durch.

Rolf Dobelli, ein Schweizer Autor und – wie ich finde – kluger Denker, schreibt, Lesen sei Zeitverschwendung, wenn ein Buch keine Spuren im Gehirn hinterlässt. Demnach hast du für mein Gehirn ein gutes Buch geschrieben. Es hat Eindruck hinterlasssen … und einige kleine gelbe Zettelchen, die nun aus den Buchseiten ragen, damit ich für mich wichtige Stellen schnell wieder finde.

Herr Dobelli rät ausserdem dazu, radikal selektiv zu lesen. Weniger, aber aus Prinzip doppelt:

Der Wirkungsgrad des zweimaligen Lesens ist nicht der doppelte Wirkungsgrade des einmaligen Lesens. Er liegt viel höher – nach eigener Erfahrung schätze ich den Faktor auf zehn.

Ich werde dieser Empfehlung mit „The Greatest Secret“ folgen. Wenn der Inhalt sich etwas setzen durfte, wird er durch einen zweiten Durchlauf noch mal ordentlich gedünkt. 

Für dich ist das grösste Geheimnis, dich selbst als reines Bewusstsein zu erfahren. Als die Essenz, die über das Ego hinausgeht. Dieses Bewusstsein ist jenseits und unabhängig von Gedanken, Gefühlen und allem Körperlichen. Du nennst es Gewahrsein.

Ich habe es für mich auf diese einfache Formel gebracht: Alles, was ich wahrnehme, kann ich nicht sein. Die Gretchenfrage ist dann: Bin ich mit dem, was ich wahrnehme, identifiziert? Und lasse ich diese Identität mein Leben führen? Oder kann ich mir selbst beim Leben zuschauen? Kann ich Vorübergehende sein?

Und eigentlich ist mir das alles bekannt: Ich befasste mich früher schon mit Advaita Vedanta, einer alten indischen Lehre, die auch die Basis für „The Greatest Secret“ bildet. Die Sedona-Methode, die ich gerne zum Loslassen nutze, beruht auf dieser nondualen Sichtweise. In meinem Regal stehen Bücher von David Hawkins, Byron Katie, Lester Levenson, Eckhart Tolle, Alan Watts und Paramahansa Yogananda – Personen, auf die „The Greatest Secret“ verweist.

Um wieder die Kurve zu meinem Erstaunen zu bekommen: Überraschend ist für mich, all dies in deinem Buch zu finden, damit hatte mein voreingenommener Kopf nicht gerechnet. Und bemerkenswert ist auch, dass du, wie ich, die Praxis des Willkommenheissens für dich entdeckt hast: 

Willkommenheissen ist das Gegenteil von Abwehren. Widerstand sagt zu einem negativen Gefühl: „Nein, das will ich nicht!“. Eine einladende Haltung sagt: „Ja, du bist hier willkommen.“ Das Gewahrsein heisst immer alles willkommen. Kein negatives Gefühl, wie stark es auch sei, kann der Einladung des Gewahrseins widerstehen.

Du schreibst, dass du trotz deiner früheren „Secret“-Bücher – nach deren Prinzipien du lebtest – schwierige Situationen erlebtest. Du gerietst sogar in eine depressive Phase. Ich schätze, nicht jeder Autor, der mit seinen von ihm propagierten Prinzipien Millionen verdient hat, würde so offen darüber schreiben. In „The Greatest Secret“ erzählst du, wie du einen Ausweg aus deinem Leid und dem Dilemma suchtest. Du hast es für dich gelöst, indem du alles willkommen hiesst:

Ich entschied, dass ich einfach aufhören würde, der Depression Widerstand zu leisten, wenn ich sie nicht mit positiven Gedanken ausser Kraft setzen konnte, denn ich wusste ja, „wogegen du dich wehrst, das bleibt bestehen.“ Also schloss ich die Augen und lenkte meinen Konzentration in meinen Körper, dorthin, wo die Depression ihren Sitz zu haben schien. Ich öffnete mich der schwarzen Wolke meiner Niedergeschlagenheit, als breite ich die Arme aus, um sie willkommen zu heissen, und als würde ich sie umarmen, wie man jemanden begrüsst, den man liebt und lange nicht mehr gesehen hat. Ich öffnete mein Herz und liebte die Depression so gut ich konnte und zog sie dicht an mich heran. Für ein paar Sekunden wurde es schlimmer, doch dann wurde es plötzlich leichter und leichte und löste sich schliesslich vollständig auf. Innerhalb von Sekunden war es vorbei – einfach so. Die Erleichterung war ausserordentlich. Einige Stunden später kehrte die Niedergeschlagenheit zurück, aber sie war viel weniger intensiv als zuvor. Ich wiederholte den gleichen Prozess, und praktizierte dies weiter, wann immer die Depression wieder auftrat. Jedes Mal wurde die Niedergeschlagenheit schwächer und immer schwächer, und nach nur wenigen Tagen war sie völlig verschwunden. 

Dein Buch quillt schier über an Zitaten und du verweist damit transparent auf deine Quellen. Eine Kritik, die ich über „The Greatest Secret“ las, bemängelte, dass dein Buch lediglich aus einer Aneinanderreihung von Zitaten bestehen und damit wenig Eigenleistung zeigen würde. Du würdest lediglich Weisheiten kuratieren, anstatt neue Sichtweisen zu entwickeln. 

Tatsächlich bringst du nix Neues – und das meine ich im besten Sinne. Du trittst zurück, lässt die sprechen, die das Geheimnis für sich entdeckt haben. Du präsentierst dich nicht als grosse Erfinderin. Stattdessen teilst du Zitate, die dir geholfen haben. Auch wenn’s etwas dick aufgetragen klingt: Für mich stellst du dich damit in den Dienst einer grösseren Wahrheit.

Für mich geht es bei „The Greatest Secret“ um ein Geheimnis, das eigentlich keines ist. Für dich auch: 

Trotz der Tatsache, dass dieses grosse Geheimnis im Laufe der Geschichte von vielen grossen Weisen, Propheten und religiösen Führern beschrieben und angedeutet wurde, wissen die meisten von uns immer noch nichts über die grösste Entdeckung, die wir überhaupt machen können. Unter denen, die diese Entdeckung mit uns geteilt haben, sind Buddah, Krishna, Laotse, Jesus Christus, Yogananda und der Dalai Lama. 

Das Geheimnis wird übersehen weil es so einfach ist – nicht weil es schwierig oder verdeckt ist. Es ist wie die Brille, die man sucht und derweil auf dem Kopf trägt. Und es wird abgelehnt, weil es dem Ego gewaltig gegen den Strich geht. Wobei wir wieder bei der Gretchenfrage sind: Bin ich mit meinem Ego identifiziert und gebe ich ihm das Zepter in die Hand? Oder kann ich es willkommenheissen und beobachten? 

Danke, Rhonda, dein Buch lohnt sich wirklich.

Herzliche Grüsse

Frau Momo

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